Apr. 2020
Emotion und Usability: Interaktive Produkte und der „Joy of Use“
Interaktive Installationen wie Multitouch-Tische sollen ihre Nutzer begeistern und in ihren Bann ziehen. Sie sollen als Eyecatcher und Messe-Magnet funktionieren und die Besucherinnen und Besucher nachhaltig beeindrucken. Doch wie gelingt es, einem interaktiven Produkt „Leben einzuhauchen“ und den Nutzern selbst bei vermeintlich komplizierten und trockenen Inhalten dennoch Spaß an der Interaktion zu bieten?
Was bezeichnet man als Joy of Use?
Der sogenannte Joy of Use bezeichnet das positiv subjektive Empfinden eines Benutzers in der Benutzung eines technischen Produktes – sie oder er empfindet einfach Freude bei der Interaktion. Der Joy of Use ist insbesondere für klassische Websites und Software recht gut beschrieben und erforscht. Beispiele wären hier eine Suchmaschine, die schnell und einfach die passenden Ergebnisse liefert oder eine Banking Software, in der man komfortabel Überweisungsvorlagen pflegen kann. Als Ein- und Ausgabemedium kommen hier häufig Monitore, Maus und Tastatur zum Einsatz.
Erlebnis mit interaktiven Produkten
Etwas umfassender gestaltet sich die Erreichung des Joy of Use bei interaktiven Produkten. Bei einem Multitouch-Tisch beispielsweise gehört bereits das äußere Erscheinungsbild des Gerätes sowie eine eventuell ungewohnte Multitouch-Steuerung bereits zu den Erfahrungen, die der Benutzer macht. Die Nutzungssituation am Tisch kennt kein festes “oben” und “unten” sondern Nutzer können von allen Seiten an den Tisch herantreten und bedienen. Eventuell nutzen zur gleichen Zeit weitere Benutzer den selben Tisch. Es ist also umso wichtiger, alle relevanten Kriterien für das positive Gesamt-Empfinden zu kennen und in der Umsetzung eines Projektes (Messestand, Showroom etc.) konsequent zu verwirklichen.
Inhalt – Funktion – Ästhetik: Der steile Weg zum Erfolg
Ein weit verbreitetes Modell, um den Joy of Use zu konkretisieren, ist die dreigeteilte Betrachtung nach den Dimensionen Inhalt, Funktion und Ästhetik. Der Joy of Use entsteht hiernach, wenn alle drei Dimensionen eines interaktiven Produktes perfekt ineinandergreifen. Dabei stehen die Dimensionen in einem begrenzten Zielkonflikt. Wenn der Inhalt aus reinen Textwüsten besteht, kann es schwierig werden, eine ansprechende Ästhetik zu finden. Wichtig ist in jedem Fall, sich jeder Dimension bewusst zu sein und das jeweils maximal mögliche Benutzererlebnis zu generieren.
Vorteile einer lokalen Multitouch-Software
Ein erster und wichtiger Schritt in Richtung Joy of Use für interaktive Produkte ist, sich von Web-Technologien (Web-Apps) zu verabschieden. Sie bieten zwar einen guten Standard für den Informationsaustausch über das Internet auf unterschiedlichsten Geräten, sind jedoch grundsätzlich nicht für lokale Erlebnis-Installationen geeignet. Die vermeintlich naheliegende Entscheidung, für neue Herausforderungen einfach die bekannte Technologie zu verwenden, wäre ein Showstopper für die Benutzererfahrung:
Die Funktion ist bei Webtechnologien stark beschränkt, Interaktion mit mehreren Benutzern kaum möglich. Es gibt grundsätzlich lediglich einen Mauszeiger bzw. einen einzelnen Touch-Punkt und die Tastatur als Hilfsmittel der Eingabe. Intuitive Gesten wie Wischen, Zoomen, Rotieren etc. sind im Web schlicht nicht vorgesehen. Auch die Interaktion mit Objekten ist nur mit einer echten Multitouch-Software möglich.
Die Ästhetik von Web-Technologien ist ebenfalls begrenzt, da sie auch auf einfachsten mobilen Endgeräten funktionieren muss. Hohe Auflösungen oder echtzeitfähige 3D-Modelle sind dabei so gut wie ausgeschlossen. Ladebalken, stufenweise Aufbau der Seite und verpixelte Bilder sprechen niemanden wirklich an.
Dagegen können lokal auf dem Multitouch-Tisch gespeicherte Inhalte in hoher Auflösung ohne Ruckeln und Nachladen dargestellt werden. Das Abspielen von mehreren 4K-Videos gleichzeitig oder das Hineinzoomen in einen 3D-Globus ist flüssig und ausfallsicher nur mit lokalem Datenbestand gewährleistet.
Zudem sind die Möglichkeiten der ästhetischen Darstellung einer 3D-Multitouch-Software nahezu unbegrenzt. Genau für diesen Anwendungsfall wurden Entwicklungsumgebungen für 3D-Spiele wie Unity seit vielen Jahren optimiert. In Echtzeit berechnete 3D-Welten, Partikeleffekte, Physik-Effekte und vieles mehr sind hier bereits standardmäßig implementiert. Eine native Multitouch-Software kann den Benutzer visuell in ihren Bann ziehen und überraschen. So klappt es dann auch mit der Vermittlung der eigentlichen Inhalte.
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